Kinderarztpraxis Bökemeier

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Kinderarztpraxis

Dr. med. Meike Bökemeier

MONTAGSINTERVIEW: Dr. Bökemeier über ansteckende Erkältungskrankheiten

Infekte bei Kindern früher als sonst

VON STEFANIE RÖSNER

Korbach – Auffällig viele Erkrankungen der Atemwege bei Kindern machen Eltern derzeit nervös, verunsichern Erzieherinnen und Lehrer und bereiten den Kinderärzten viel Arbeit. Die Kinderärztin Dr. Meike Bökemeier berichtet davon, dass sich solche Infekte dieses Jahr ungewöhnlich früh verbreiten.

Viele Kinder stecken sich zurzeit mit Erkältung an. Wie macht sich das in Ihrer Praxis bemerkbar?

Wir erleben, dass sich die Erkältungskrankheiten dieses Jahr viel früher verbreiten als sonst. Bereits nach den Sommerferien ging es los, was wir sonst meist eher Ende September oder Anfang Oktober bemerken. Letztes Jahr gab es so gut wie keine Erkältungswellen. Kitas und Schulen waren geschlossen oder deren Betrieb reduziert. Außerdem haben die AHA-Regeln dazu beigetragen. In den Hochphasen für Erkältungskrankheiten im Winter haben wir normalerweise bis zu 40 Patienten am Tag. Im vergangenen Winter waren es nur fünf.

Wie viele kommen zurzeit?

Zurzeit sind es bis zu 25 Kinder mit Symptomen wie Husten, Schnupfen, Fieber. Hinzu kommt Beratung am Telefon.

Sind Corona-Fälle dabei?

In den vergangenen Wochen hatten wir keine Fälle mehr darunter.

Um welche Erkältungskrankheiten handelt es sich?

Das sind normale Infekte. Seit ein paar Tagen sind aber auffällig viele Lungenentzündungen und Bronchitiden darunter. Einige Kinder müssen stationär ins Krankenhaus. Das ist für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich.

In welchen Fällen muss ein Kind ins Krankenhaus?

Wenn es nicht mehr spielt, nicht mehr isst und im schlimmsten Fall nicht mehr trinkt. Wenn es apathisch wird und der Allgemeinzustand schlecht ist. Wir hatten neulich ein sieben Monate altes Kind mit einer schlechten Sauerstoffsättigung.

Die Kinder müssen dann in eine Kinderklinik außerhalb des Landkreises.

Ja, hier kommen die Kliniken in Kassel, Marburg und Paderborn in Frage.

Wie akut sind die Verläufe in solchen Fällen?

Bei wenigen Wochen alten Babys kann es schnell mal zu Atemaussetzern kommen. Manche Patienten schicken wir mit Krankenwagen und Notarzt in die Klinik. Manchmal sind Infusionen und zusätzlich Sauerstoff nötig.

Warum kommt es jetzt vermehrt zu solchen Erkrankungen der Atemwege?

Das liegt nicht am Wetter, sondern an der Verbreitung der Viren. Während im vergangenen Winter aufgrund des Corona-Lockdowns kaum jemand erkrankte, dürfen sich die Kinder nun wieder treffen. Wir waren monatelang daran gewöhnt, dass die Kinder andauernd gesund waren, was aber nicht normal ist.

Was ist normal?

In den ersten beiden Kindergartenjahren sind die Kinder im Durchschnitt von Oktober bis Ostern jeden Monat eine Woche lang krank. Für die Eltern ist das dann gefühlt andauernd.

Bei welchen Symptomen sollte man den Arzt aufsuchen?

Wenn bei einem Atemwegsinfekt das Fieber länger als zwei bis drei Tage andauert und wenn sich der Allgemeinzustand verschlechtert.

Wann sollten Kinder Zuhause bleiben?

Mit ein bisschen Erkältung können sie in die Kita gehen. Nicht aber, wenn sie sich schlapp fühlen und Fieber haben. Erzieher und Lehrer sind aufgrund von Corona verunsichert, wenn Kinder mit Erkältung in die Einrichtung kommen. Das ist verständlich, denn sie möchten, dass die Einrichtungen geöffnet bleiben und nicht, dass sie zu sogenannten Hotspots werden. Die Lehrer und Erzieher haben da eine große Verantwortung.

Was ist besser für die Kinder: Sich ständig in der Einrichtung anzustecken oder isoliert zu sein, um Infekte zu vermeiden?

Bei Erwachsenen macht es keinen Unterschied, ob sie mal ein Jahr lang keinen Infekt hatten. Für Kinder aber im sensiblen Alter zwischen drei und fünf Jahren ist es schlecht für die Entwicklung des Immunsystems, wenn sie länger keinen Kontakt zu Infektionserregern haben. Denn der Körper muss Antikörper bilden, die er später abrufen kann.

Wie sollten die Betreuungseinrichtungen und Schulen damit umgehen? Welche Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen sind gerechtfertigt?

Kinder brauchen enge Kontakte zu anderen für ihre körperliche und psychische Gesundheit. Gewisse Maßnahmen wie regelmäßige Corona-Tests für Schüler sind sinnvoll und schaden den Kindern nicht. Die Kitas und Schulen müssen aber unbedingt geöffnet bleiben. Daher ist es so wichtig, dass sich alle Erwachsenen gegen Corona impfen lassen. Sie sollten hier Einsatz zeigen, damit den Kindern die sozialen Kontakte nicht verwehrt werden müssen.

Wie stehen Sie zu der Corona-Impfung für Kinder?

Eine Impfung für Kinder ab zwölf Jahren befürworte ich. Sie vertragen das allgemein gut. Wenn Kinder ab fünf Jahren geimpft werden sollen, sehe ich das kritischer. Mit einer hohen Impfquote bei den Erwachsenen könnte ihnen eine Impfung gegen Corona erspart bleiben. Wenn die Ständige Impfkommission dies aber empfehlen wird, werde ich auf die Entscheidung vertrauen.

Quelle: Waldeckische Landeszeitung vom 04. Oktober 2021