Kinderarztpraxis Bökemeier

Telefon: 05631 60350 

Fröbelstrasse 27, 34497 Korbach

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Kinderarztpraxis

Dr. med. Meike Bökemeier

Kinderärztemangel – ein Thema, das viele Familien betrifft

Vor kurzem durfte ich mit dem Magazin stern über die aktuelle Situation im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin sprechen. Aus diesem Gespräch ist ein Artikel entstanden, den ich mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des stern hier auf meiner Website teilen darf.

 


 

 

Stern-Story: Kinderarztmangel nicht nur auf dem Land

stern-Studien zeigen: Deutschland hat erstklassigen Ärzte. Und doch gibt es einigen Anlass zur Sorge

VON CONSTANZE LÖFFLER

Der Tag beginnt für Meike Bökemeier früh und endet spät. Seit die zweite Kinderarztpraxis in der nordhessischen Kleinstadt Korbach geschlossen hat, tragen sie und ihr Team die Arbeit allein: alle Neugeborenen, alle Infekte, alle Vorsorgeuntersuchungen. Ende des Jahres schließt die Praxis im nahen Medebach. „Es gibt niemanden mehr, der diese Arbeit auffängt“, sagt sie.

Und: Kinderheilkunde fordert heute eine intensivere Betreuung denn je – mehr Impfungen, mehr U-Untersuchungen, allerlei Atteste und viele psychosoziale Probleme wie Schulangst, Mobbing-Not oder Depressionen. „Jeden Tag frage ich mich, wie wir das alles noch schaffen sollen“, sagt Bökemeier. Das
Wartezimmer ist bis abends voll. Obwohl sie selbst Herzprobleme hat, schafft die Ärztin es nicht, kürzerzutreten.

Ein 68-jähriger Kollege, gesund und fit, würde gern zwei Tage pro Woche auf Honorarbasis mitarbeiten. Doch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) erlaubt dies nicht.
„Es kann doch nicht sein, dass ein erfahrener Kollege helfen will und ich ihn nicht beschäftigen darf“, so Bökemeier. Ein Honorarvertrag, in Kliniken lange schon üblich, ist im niedergelassenen Bereich nicht vorgesehen. Die KV – wohlgemerkt eine Organisation der Ärzte selbst– fordert eine feste Anstellung, inklusive Diensten in der Kinderklinik, Sozialabgaben, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. „Diese Verantwortung will ich mir nicht auch noch aufbürden“, sagt Bökemeier.

Dabei steht Deutschland im internationalen Vergleich eigentlich gut da: Mit rund 4,5 Medizinern auf 1000 Einwohner liegt die Dichte über dem EU-Durchschnitt. Mehr als 421 000 Ärztinnen und Ärzte arbeiten hierzulande – so viele wie nie zuvor. Dass sie tagtäglich gute, oft hervorragende Arbeit leisten, ist Konsens. Das öffentliche Ansehen von Bökemeiers Profession? Nach wie vor glänzend, sagen die Demoskopen. Auch die in dieser Woche neu erscheinende Regionale Ärzteliste des stern, die besonderes Augenmerk auf Länder und Landkreise legt, zeigt wie in den Vorjahren: Exzellente Heilkunst und reiche ärztliche Erfahrung sind in Deutschland lebendig. Doch auch Terminnot und Effizienzprobleme bleiben Alltag. Patientinnen und Patienten droht also weniger eine Spezialistenkrise als eine der Alltagsmedizin: Geschätzt jede fünfte Hausarztpraxis wird in den kommenden Jahren vergeblich eine Nachfolge suchen.

Dieses Paradox erklärt Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM): „Wir haben keinen Ärztemangel, wir haben einen Arztzeitmangel.“ Teilzeitmodelle, Bürokratie und Spezialisierung hemme n eine effiziente Versorgung. Das KV-System, historisch gewachsen, sei „starr und unflexibel“. Während Patientinnen und Patienten durchs System irren, Zweit- und Drittmeinungen einholen und im europäischen Schnitt neun-bis zehnmal jährlich ärztliche Hilfe suchen, bleibt vielen die Tür zur Praxis verschlossen. „Wir stecken Milliarden ins System“, sagt Scherer, „doch am Ende merken die Patientinnen und Patienten davon zu wenig.“

Für Verbesserungen gäbe esdurchaus Vorbilder. Scherer plädiert für ein Primär- oder Hausarztsystem nach dänischem Muster: mit klaren Versorgungspfaden, weniger Doppeluntersuchungen, weniger Überversorgung in Spezialfächern. Und er fordert, die Weiterbildung stärker am Bedarf auszurichten – nicht jeder darf in jedes Fach, wenn Haus- und Kinderärzte fehlen. „Unser System ist zu komplex geworden. Man müsste es einmal von Grund auf neu denken.“

Auch die Kinderärztin Bökemeier hätte Ideen: flexible Modelle für ältere Kolleginnen und Kollegen, verpflichtende Praxisjahre während der Facharztausbildung, eine Vorgabe für Studierende, eine Zeit lang in Deutschland zu arbeiten. All das schrieb sie jüngst an Bundesgesundheitsministerin Nina Warken. Die Antwort steht noch aus. „Manchmal sind die Lösungen gar nicht so kompliziert“, sagt Bökemeier. „Aber niemand traut sich, die Regeln zu ändern.“ Und so bleibt ihr nichts anderes übrig, als weiterzumachen. Schließlich ist das Wartezimmer voll und ihre kleinen Patientinnen und Patienten brauchen Rat, Tat und Trost. Während die Politik zaudert, kämpft sie vor Ort mit den Folgen eines Mangels, der genau genommen keiner sein müsste.

Bildquelle: ©Canva